Ausnorden einer äquatorialen Montierung ohne Polsucher
Bietet eine äquatoriale Montierung nicht die Möglichkeit, einen Polsucher einzubauen,
oder aber man will sich das Geld für einen solchen sparen, habe ich eine Methode
entwickelt, mit der ein Teleskop trotzdem sehr genau ausgenordet werden kann. Die
Genauigkeit ist so hoch, daß man Objekte bei 200-facher Vergrößerung und damit ca.
0,25° wahrem Gesichtsfeld für über 30 Minuten im Okular halten kann, ohne in Deklination
korrigieren zu müssen.
Die Methode besteht aus einem einmalig auszuführenden Teil, der Justage der exakten
Polhöhe der Montierung und der Aufstellprozedur vor Ort mit Kompaß und kleiner Wasserwaage.
Am Ende dieser Seite steht die Methode als Kochrezept kurz beschrieben. Wer
sich für die Herleitung nicht interessiert, kann direkt nach unten scrollen.
Korrekte Polhöheneinstellung
Wichtig für eine gute Polachsenfluchtung ist die exakte Einstellung der Polhöhe an der Montierung
selbst. Da sowohl an meiner EQ-2-Montierung des kleinen Fernrohrs als auch an der Starfinder-
Montierung die Polhöhenskala nicht besonders präzise ausgeführt sind und somit eher
symbolischen Charakter haben, mußte ich mir die nachfolgend beschriebene Methode zurecht-
schnitzen.
Betrachten wir zunächst die geometrische Situation eines Beobachters auf der Erde:
Betrachtet man obige Zeichnung, so wird schnell klar, daß die Polhöhe p identisch ist mit der
geographischen Breite f.
Betrachten wir nun eine äquatoriale Fernrohrmontierung:
Ist die Stundenachse genau nach S zeigend ausgerichtet, muß die DE-Achse (dies ist immer die Achse mit dem Gegengewicht) einen Winkel von 90°- f bilden. (sogenannte Kobreite)
Damit kann die Polhöhe der Montierung sehr genau auf die geographische Breite des Beobachters
eingestellt werden:
Man stellt die Montierung auf einer ebenen Fläche auf. Die Stundenachse wird soweit gedreht,
daß sie genau nach "Süden" zeigt. Dann hat der Endpunkt der Gegengewichtsachse seine niedrigste
Höhe über dem Boden erreicht.
Man mißt dann die Höhen h1 und h2 möglichst genau, sowie die Länge zwischen den Meßpunkten
entlang der Achse, Dl. Aus der Differenz von h1 und h2 bestimme man die Größe Dh=h1-h2.
Es ergibt sich folgendes rechtwinklige Dreieck:
Bei diesem interessiert nun ausschließlich der Winkel a.
Es gilt:
sin a = Dh / Dl
a entspricht nun der Kobreite, also 90°-geographischer Breite: a=90°-f
Damit ergibt sich folgende Bestimmungsgleichung:
Dh / Dl = cos f
Fehlerbetrachtung:
Seien die Längenmessungen mit dem relativen Fehler y behaftet, also
Dh = Dh (1±y)
Dl = Dl (1±y)
Dann gilt in sehr guter Näherung:
f = arccos (Dh / Dl (1±2y))
Für eine geographische Breite von 50° ergibt sich ein Dh / Dl von 0,6428
Bei einem Längenmeßfehler von 1mm kann man damit die Polhöhe auf 0,25° genau einstellen.
Korrektes Ausnorden des Teleskops
Geht man nun von einer exakt justierten Polhöhe aus, so kann man das Teleskop wie folgt ausnorden:
Man stellt die Montierung so auf, daß sie waagrecht steht, was leicht mit einer Dosenlibelle verifiziert
werden kann. Stellt man die Montierung immer am selben Ort auf (z.B. befestigte ebene Terasse), so
kann diese Prozedur meist entfallen. Nun stellt man die Montierung nach "Süden", was aber noch nicht
wirklich Süden ist (RA auf aktuelle Sternzeit). Mit einer kleinen Wasserwaage stellt man den Tubus
waagrecht.
In ein, zwei Meter Abstand zum Teleskop legt man einen Kompaß ausgerichtet in N-S-Richtung, an den
man noch einen geraden Gegenstand (z.B. Lineal) so anlegt, daß dieser in N-S-Richtung am Boden liegt.
Diesen Gegenstand visiert man nun über den Tubus an und versucht durch Drehen der Montierung in
ihrer horizontalen Befestigung, die "Oberkante" des Teleskoptubus mit dieser Orientierungshilfe
zur Deckung zu bringen. Damit ist die Montierung sowohl visuell als auch für kürzere Belichtungszeiten
photographisch ausreichend eingestellt.
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